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Hintere Goinger Halt
(2.192 m)

Von der Wochenbrunner Alm über das Ellmauer Tor auf die Hintere Goinger Halt

T3+ I

Bergtour

 1.100 Hm   8,6 Km  ca. 6 Stunden
Inhaltsverzeichnis
Der Gipfelaufbau der Hinteren Goinger Halt
Der Gipfelaufbau der Hinteren Goinger Halt

Der Wilde Kaiser – ein Eldorado für Felsakrobaten und Extremkletterer. Senkrechte Wände und kompakter, fester Fels kennzeichnen diese kleine Gebirgsgruppe. Nicht gerade die besten Bedingungen für Bergfreunde die einen echten Kaiser ersteigen wollen, mangels Kletterkönnen jedoch auf gangbare Wege angewiesen sind. Und doch gibt es in diesen abweisenden, zerklüfteten Mauerwerk einen Zapfen mit dem man per pedes auf Tuchfühlung gehen kann: Die Hintere Goinger Halt!

Wie es sich für einen stolzen Kaisergipfel gehört, wird auch an der Goinger Halt gänzlich ohne Hände kein Blumentopf gewonnen. Im Verhältnis zur Gehstrecke sind die Kletterstellen hingegen sehr knapp, wiederholt mittels Drahtseile beziehungsweise Ketten gangbar gemacht worden. Gehobenes Alpingelände, wie etwa am Treffauer oder am Lärcheck, bleibt dem Bergwanderer wiederum erspart. In Summe übersteigen also die Anforderung nicht den Rahmen einer alltäglichen Bergtour. Nebst dem Scheffauer ist die Hintere Goinger Halt die am leichtesten zugängliche Kaiserzinne.

Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, um sich auszumalen, wie groß der Betrieb an diesem Ziel ist. Man hat ja wenig Alternativen dem Kaiser per Wanderung habhaft zu werden. Als Ergebnis bündelt sich das Fußgängervolk an den wenigen Hot-Spots für Normalverbraucher. Dummerweise stellt die Hintere Goinger Halt mit deren Nordgrat auch die am häufigste unternommene Kaiser-Kletterei bereit. Treffen am Gipfel beide Parteien (Wanderer und Kletterer) zusammen wird es eng - sehr eng. Der Andrang ist oft so groß, dass man sich wie an der ALDI-Kasse anstellen muss um überhaupt Hand ans Kreuz legen zu können.

In der nachfolgenden Tourenbeschreibung stelle ich den von Wanderern bevorzugten Südaufstieg (Start Wochenbrunner Alm) zum Ellmauer Tor vor. Als Alternative kann von Norden (Ausgangspunkt Griesner Alm) via Steinerne Rinne aufgestiegen werden. Diese Route ist eine Nuance länger, im Gepräge etwas schwieriger zu zügeln (Klettersteig-Charakter) - aber vor allem während des Hochsommer vorzuziehen, wenn die Südseite die Manieren eines glühenden Steinofens hat. Den Aufstieg über die Steinerne Rinne zum Ellmauer Tor habe ich in der Bergtour auf die Vordere und Hintere Karlspitze beschreiben.

 Bilder  Karte  GPS-Track
Großes Kaiserpanorama vom Gipfel der Hinteren Goinger Halt
Großes Kaiserpanorama vom Gipfel der Hinteren Goinger Halt

Anforderungen/Schwierigkeiten

Wanderung von der Wochenbrunner Alm zur Gaudeamushütte auf breiter, geschotterter Fahrstraße. In Richtung Ellmauer Tor einfache Bergpfade. Nach oben hin phasenweise sehr schmal, obendrein geringfügig ausgesetzt (Drahtseile). Gipfelsturm in steilen Schrofen, partiell mittels Ketten gesichert. Darüber hinaus von kurze Klettereinlagen garniert (I). Freilich braucht es hier und da ein wenig Trittsicherheit. Für den erfahrenen Berggeher ist dieses Vorhaben indes technisch keine große Herausforderung. Dazu bewegt sich der konditionelle Anspruch eher auf unterem Level. Idealer Zeitpunkt für die Tour ist der Frühsommer oder der Herbst. Im Hochsommer ist die Route stark der Sonne ausgesetzt, demzufolge extrem schweißtreibend.

Ausgangspunkt

AT-6352 Ellmau
Parkplatz an der Wochenbrunner Alm
GPS-Koordinaten:
Breitengrad: 47.542157
Längengrad: 12.319096

Hütten/Einkehr

Wochenbrunner Alm
Gaudeamushütte

Orientierung

Bis zum Ellmauer Tor ist der Aufstieg durchgehend ausgeschildert. Die Gipfelführe ist mit Farbe gekennzeichnet ferner durch die Spuren der häufigen Begehung eindeutig zu identifizieren.

Wissenswertes

Im Wilden Kaiser tobt seit Jahrzehnten ein erbitterter Hakenkrieg. Seit Anfang der 70er-Jahre werden oft begangene Kletterrouten mit gebohrten/geklebten Sicherungs-, Stand- und Abseilhaken präpariert. Das schien nicht Jedem zu gefallen. Wiederholt wurden an einigen Führen die Sicherungen wieder abgesägt. Die Gegner der Erschließung operierten (bis auf wenige Ausnahmen) im Schutz der Anonymität. Ob der Krieg inzwischen beigelegt wurde kann niemand sicher sagen. Zumindest wurden die neueren eingebohrten Routen bisher von Sägeattacken verschont.

Höhenprofil
P Bergtour Hintere Goinger Halt Elevation profile for Bergtour Hintere Goinger Halt 0 1 km 2 km 3 km 4 km 5 km 6 km 7 km 8 km 8,6 km 2.000 m 1.800 m 1.600 m 1.400 m 1.200 m Wochenbrunner Alm 1.040 m Gaudeamushütte 1.263 m Ellmauer Tor 1.990 m Hintere Goinger Halt 2.192 m Ellmauer Tor 1.990 m Gaudeamushütte 1.263 m Wochenbrunner Alm 1.040 m
Tourenbeschreibung: Aufstieg

Wanderung von der Wochenbrunner Alm zum Ellmauer Tor

T3

Unsere alpine Wanderung startet an der Wochenbrunner Alm (1.040 m), Top-Ziel am Wilden Kaiser für Tagesausflügler und Bustouristen. Der gemächliche Start flaniert gen Norden auf luxuriöser Trasse (Weg 812) parallel zum Hausbach der kaiserliche Krone entgegen. Die Strecke präsentiert sich als breiter Schlauch durch weitläufigen Waldbestand. Dabei wird weiter oben den ersten steilen Ausläufern mittels seichtem Rechtsbogen ausgewichen. Am Ende der Kurve, 30 Minuten nach Start am Ausgangspunkt, hat die aussichtsreich gelegene Gaudeamushütte ihre Position (1.263 m).

Die Gaudeamushütte - eine von zwei Einkehrmöglichkeiten
Die Gaudeamushütte - eine von zwei Einkehrmöglichkeiten

Am Schutzhaus links schwenkend dem Weg 812 sowie der nördlichen Direktion treu bleiben. Brache Almflur entlässt uns in lichten Wald, wo der Schwenk zum Klammlsteig links liegen gelassen wird (1.330 m). Unser Fortschritt legt allmählich an Neigung zu, manövriert quer über einen geröllhaltigen Abwärtsstrom. Wie ein Korkenzieher schrauben wir uns die Krummholzzone bergan, betreten schlussendlich einen flachen Absatz am Beginn der Kübelkar-Steinwüste.

Links haltend hinauf zur Abzweigung des Jubiläumssteig (1.620 m) - ein gesicherter, pfiffiger Zugang zur malerisch gelegenen Gruttenhütte. Hier indes rechtsdrehend zu den Südabstürzen der Vorderen Karlspitze wechseln. Hoch auf einen Geländebuckel zugleich dem Beginn der erster Drahtseilsicherungen (1.700 m). Das verbaute Eisen hilft diese dezent ausgesetzte Passage zu überlisten. Jenseits navigiert die Route endgültig in das Zentrum des Schuttstrom. Nun im Zangengriff steilster Wände sehr mühselig den losen Untergrund empor. Während des Frühsommer findet sich hier häufig Altschnee - eine willkommen Abkühlung im schweißtreibenden Drang bergwärts. Der Geröllsteig führt zu einer schrofigen Schwelle, auf deren Höhepunkt endlich das Ellmauer Tor erwandert ist (1.990 m).

Je nach Wetterlage sorgt die U-förmige Kerbe des Ellmauer Tor für lebhaften bis starken Luftaustausch. Im Hochsommer, wenn das Quecksilber 30° tangiert, eine angenehm erfrischende Sache. Bei unbeständiger, kalter Witterung aber nicht selten von widerwärtig beißendem Charakter. Wohl dem der dann seinen Rucksack mit einer Windjacke befüllt hat.

Vom Ellmauer Tor über den Normalweg zur Hinteren Goinger Halt

T3+ I

Auf der rechten (östlichen) Seite des Ellmauer Tor markiert üppiges Kolorit den Start des finalen Aufstiegs - der Normalweg zum Dach der Hinteren Goinger Halt. Eine sperrende Schrofenstufe stellt sogleich den Begeher auf die Probe. In Verfolgung der roten Punkte erkraxeln wir dieses Hindernis (I), schwenken oberhalb linksseitig aus dem karstigen Gepräge.

In der kettengesicherten Passage oberhalb des Ellmauer Tor
In der kettengesicherten Passage oberhalb des Ellmauer Tor

Im griesgeladenen Gehgelände schräg gegen den Hang ansteigen. Unter Zuhilfenahme installierter Ketten hinweg über die zweite Barriere (2.060 m). Über vielfach plattigen Boden wird im Slalom schnell an Höhe gewonnen. Das Hin und Her endet am tiefsten Grateinschnitt (2.130 m) zwischen der Vorderen und Hinteren Goinger Halt. Ein Quergang geht mit dem felsigen Finale auf Tuchfühlung. Dem Gipfelfelsen wird dabei zunächst rechts haltend ausgewichen. Letzten Endes wird der Thron mit Hilfe einiger Klimmzüge (I) rechtsseitig über seine Schwachstelle eingenommen (2.192 m). Unter Umständen ist der beengte Höhenpunkt aber bereits übervölkert. Dann muss man warten bis der Raum von den Gleichgesinnten freigemacht wird.

Die Fernschau vom Gipfel ist gen Süden durch die höhere Nachbarschaft etwas eingeschränkt. Das firngepanzerte Antlitz des ein oder anderen 3.000er findet trotzdem seinen Weg zu uns. Demgegenüber sind sowieso eher die Nahblicke das eigentliche Schaustück. Die tiefen Kaiserkare, die lotrechten Felswuchten der nahen Bergprominenz, sowie die Zahnung deren Grate wissen besonders zu gefallen. Solche Nahimpressionen sieht man nicht alle Tage!

Tourenbeschreibung: Abstieg

Wir steigen die Gipfelflanke retour zum Ellmauer Tor, laufen durch das Kübelkar zurück zur Gaudeamushütte. Spätestens hier ist eine ausgiebige Brotzeit verdient. Oder man vollzieht gleich die finale Wanderung abwärts zur Wochenbrunner Alm und gibt sich erst ganz am Ende der Bergtour den leiblichen Genüssen hin.

Autor (Bilder und Texte): Andreas

Bewertung

Bergtour
Hintere Goinger Halt
Von der Wochenbrunner Alm über das Ellmauer Tor auf die Hintere Goinger Halt
Der Gipfelaufbau der Hinteren Goinger Halt
Natur:
Schauwerte:
Erlebnisfaktor:
Einsamkeit:
Gesamt:
3 / 5
Wanderung auf eine der wenigen leichten Kaiser-Zinnen. Tolle Nahsicht auf die Nachbargipfel und tiefe Blicke in die Kaiserkare. Mangels erwanderbarer Kaiser-Gipfel bündeln sich hier die Aspiranten die auf gangbare Wege angewiesen sind.
Info zum Bewertungsschema

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