Überschreitung des Rauhhorn aus dem Hintersteiner Tal
T5 II BSehr schwere Bergtour
Inhaltsverzeichnis
Die Überschreitung des Rauhhorn könnte auch als alpines Überraschungsei der Allgäuer Alpen klassifiziert werden. Gäbe es ein Ranking für die (aus technischer Sicht) am meisten unterschätzten Bergtouren, das Rauhhorn würde (meiner bescheidenen Meinung nach) einen der vordersten Plätze einnehmen.
Ich bin nicht nur Autor von Tourenbeschreibungen, sondern auch fleißiger Konsument selbiger. Für meine eigene Tourenwahl dienen mir digitale als auch gedruckte Quellen als Inspirationsquelle. Detaillierte Berichte meiner bergsteigenden Kollegen sowie von bekannten Alpin-Autoren weis ich sehr zu schätzen. Wenn es um die technische Schwierigkeitseinordnung einer Unternehmung geht, liege ich üblicherweise mit ihnen auf einer Linie. Mein Fazit zur Überschreitung des Rauhhorn fällt überraschenderweise deutlich strenger aus als in anderen Publikationen. Meiner Meinung nach wird so mancher Erfahrungsbericht den tatsächlichen technischen Anforderungen nicht gerecht - vermittelt ein zu laxes Bild von diesem wilden Alpinabenteuer. Mein Rat an alle interessierten Nachgeher: Das Rauhhorn darf keinesfalls unterschätzt werden.
Während der Überscheitung des Gipfelkamms bewegt man sich fast durchgehend in exponiertem Gelände. Ein Fehltritt in diesem Gepräge würde katastrophal enden. Obendrein muss auf dieser Etappe vielmals Hand an den Fels gelegt werden. Die Schwierigkeiten erreichen dabei an der ein oder anderen Stelle den II. Klettergrad. Insbesondere die Schlüsselstelle hat es enorm in sich: Eine ca. 6 m hohe, senkrechte Verschneidung, welche nur eingeschränkt Tritte respektive Griffe offeriert. Eine der schwierigsten Einzelstelle, die ich bisher ungesichert überwunden habe.
Von einfachen Kraxleinlagen oder einer Berg-Wanderung (wie man vielfach in alternativen Routenbeschreibungen nachlesen kann) kann keinesfalls die Rede sein! Jeder Bergfex, welcher das Rauhhorn überschreiten mag, sollte mit allen Tugenden eines gestandenen Bergsteigers gewappnet sein. Das heißt, die eigenen Fähigkeiten sollten dem oberen Ende der Bergtourenskala Rechnung tragen können.
Die Überschreitung des Rauhhorn entspricht der Tourenkategorie Leichte Klettertouren
.
Anforderungen/Schwierigkeiten
Die Erwanderung der Vorderen Schafwanne von Hinterstein über die Willersalpe unterscheidet sich in den Anforderungen kaum vom Abstieg von der Hinteren Schafwanne über den Schrecksee. Geländebedingte Hürden sind auf beiden Teilpartien nicht vorhanden. Demgegenüber sind die Wegstrecken sehr lang. Zudem erschwert im oberen Teil viel Geröll das Vorankommen. Der Bergwanderer braucht einiges an Kondition sowie einen starken Durchhaltewillen um die vorgestellte Rundtour schließen zu können. Die eigentliche Überschreitung des Rauhhorn bleibt erfahrenen Bergsteigern vorbehalten. Mehrere Kletterstellen, obendrein ausgesetztes Gepräge sind nur mit viel Erfahrung nebst mentaler Stärke beherrschbar. Die Rauhhorn-Überschreitung ist weder eine Bergwanderung noch ein Klettersteig. Vielmehr eine rassige Bergtour mit überdurchschnittlich hohen technischen nebst konditionellen Anforderungen. Volles Tagesprogramm!
Ausgangspunkt
DE-87541 Hinterstein
Parkplatz am Ende des Rauhhornweg
GPS-Koordinaten:
Breitengrad: 47.47389
Längengrad: 10.41720
Hütten/Einkehr
Orientierung
Sowohl der Aufstieg von Hinterstein über die Willersalpe zur Vorderen Schafwanne, als auch der Abstieg von der Hinteren Schafwanne über den Schrecksee zurück nach Hinterstein sind als Bergwanderung solide ausgeschildert sowie markiert. Die eigentliche Überschreitung des Rauhhorn-Felskamms ist reichlich mit blauer plus weißer Farbe einkoloriert. Aufmerksame Zeitgenossen sollten keine Probleme haben die korrekte Linie zu finden.
Ausrüstung
Wissenswertes
Wer nach der Überschreitung des Rauhhorn-Kamms noch nicht genug hat, kann von der Hinteren Schafwanne zusätzlich dem Gipfel des Kugelhorn (2.126 m) die Ehre erweisen. Dafür folgt man von der Hinteren Schafwanne zunächst den Pfad in Richtung Schrecksee. Nach circa 100 m entzweigt sich linker Hand der unbeschilderte sowie unmarkierte Zugang zum Gipfel. In unmittelbarer Nähe zum Nord-West-Grat erfolgt über Gras und Schrofen der Sturm auf das Kugelhorn (T3, I). Die Tagesbilanz erhöht sich damit um weitere 170 Höhenmeter - Bedarf zusätzlich circa 45 Minuten.
Von Hinterstein über die Willersalpe zur Vorderen Schafwanne
T2Der Parkplatz in Hinterstein (895 m) am Ende des Rauhhornwegs ist der Ausgangspunkt für die abenteuerliche Überschreitung des Rauhhorn. Aus dem südöstliche Ende der Parkfläche entspringt ein bequemer (zudem viel genutzter) Zugang zu unserem ersten Abschnittsziel - der urigen Willersalpe. Viel interessanter ist wiederum eine alternative Strecke, welche spürbar ruhiger ist, zudem ein aussichtsfreudigere Wegführung offeriert.
Dafür vom Parkplatz zurück in die Ortschaft laufen.
An der nächsten Kreuzung (respektive auf Höhe der Antoniuskapelle) rechts der Straße folgen.
Nach wenigen Metern - hinter dem Hotel Grüner Hut - zeigt ein Wanderwegweiser den Zugang zur alternativen Wegführung an.
Der Anschlag Köpfle | Wildfräuleinstein | Willers-Alpe
gibt die Richtung vor - rechter Hand abbiegen.
Der Einlass wirken noch wie ein gepflasterter Vorgarten eines Privatgrundes,
doch die Treppenstufen am Ende der planierten Fläche entlässt uns in die Bahn eines öffentlichen, schmalen Steigleins.
Ein platzierter Wegweiser schickt uns rechtshaltend hinauf in den Forst.
Im Zick Zack werden recht flott die ersten Höhenmeter erarbeitet.
Dabei zweimal eine Verzweigung mit einem Rechtsschwenk quittieren.
Das Hin und Her endet schlussendlich am Aussichtspunkt Köpfle (1.089 m).
Eine Sitzbank lädt auf dieser panoramafreudigen Gelände-Terrasse zum längeren Verweilen ein. Der Tiefblick auf Hinterstein sowie in das Ende des gleichnamigen Tales inklusive deren imposante Bergumrahmung ist bezaubernd. Für den Rauhhorn-Gipfelstürmer ist im vollgestopfte Tagesprogramm indes kein Spielraum vorgesehen um den Eye-Candys längere Aufmerksamkeit zu schenken. Der Anschluss jenseits des Aussichtspunktes gewinnt zunächst nur noch moderat an Höhe. Die Trasse navigiert als Quergang durch baumreiches Areal - geht bald mit der Grotte Wildfräuleinstein auf Tuchfühlung.
Dahinter schert eine Spur rechtskommend in unsere Bahn ein. Für uns geht es aber geradeaus quer durch den Forst weiter. Die Verlängerung verbindet sich schlussendlich mit dem (oben erwähnten) Standard-Zugang vom Hintersteiner Parkplatz. Wenig später quer über den Willersbach hinweg. Am gegenüberliegenden Ufer den rechten Wegeast wählen. Im Wirkungskreis zünftiger Geländeneigung bergan in die weitreichende Grasfläche der Willersalpe. Der offene Distrikt kündigt schon von Weitem die anvisierte Verpflegungsstation (1.456 m) an - welche von uns schlussendlich eingenommen wird.
Wegen des noch vor uns liegenden Marathonprogramms sollte ein optionaler Aufenthalt an der Willersalpe auf ein Minimum beschränkt werden. Die Wiederaufnahme der Route verzweigt sich kurz hinter der Hütte. Abermals den rechten Steig wählen. War die bisherige Strecke eher durch Vorankommen in östliches Gefilde geprägt, dreht die Führe nun strikt gen Süden ein. Dabei werden die Westhänge des Gaiseck samt einiger Wasserrunsen gequert. Folglich minimal abwärts in den Kessel um Gaiseck und Gehrenkopf.
An diesem Standort (ca. 1.730 m) bekommt man einen detailreichen Überblick zu den nicht enden wollenden Kehren hinauf zum Etappenziel - der 300 m höher gelegene Vorderen Schafwanne. Lassen sich die Serpentinen im unteren Teil noch gut begehen, wird es nach oben hin (wegen der zunehmenden Geröllauflage) immer mühsamer. Das steile Intermezzo verlangt vom Begeher einiges an Durchhaltevermögen. Eine Querung entlässt uns zuletzt an der Vorderen Schafwanne (2.055 m) - dem eigentlichen Startpunkt für die Rauhhorn-Überschreitung.
Überschreitung des Rauhhorn von der Vorderen zur Hinteren Schafwanne
T5 II BDie Überschreitung des Rauhhorn ist auf der kompletten Strecke zwischen Vorderer und Hinterer Schafwanne von weiß-blau-weißem nebst blauem Gepinsel einmarkiert. An der Vorderen Schafwanne die Direktion der augenscheinlichen Spur (sowie der genannten Kolorierung) in südliches Gefilde aufnehmen. Ein erster Aufschwung wird rechtsseitig auf einem Band umgangen. Dahinter öffnet sich erstmalig die Sicht auf unser Gipfelziel.
Der Gipfelpfad nähert sich einem Geländebuckel, welcher sich vor dem Rauhhorn in Szene setzt. Über seine Westflanke wird das Hindernis unschwierig überholt. Folglich wird erstes Felsgepräge noch unterhalb des Kristallins passiert. Die Linie peilt einen auffälligen Durchschlupf an, welcher rechter Hand von einem markanten Felsturm (blaue Markierung) begrenzt wird. Jenseits links eindrehen, unter Einsatz der Hände das schrofige Gestein einige Meter empor (kaum I). In Navigation der blauen Kolorierung eine wenig ausgeprägte Rinne bergan. Oberhalb einige gröbere Blöcke hinauf (I). Damit ist die Grathöhe erreicht - welche detailgenaue Einsicht in den weitere Kurs gewährt. Rechts der Schneide einige Meter abwärts - nur um wenig später wieder zum First aufzuschließen. Einem Felsblock wird an der Abbruchkante zur Rauhhorn-Ostwand mit einem ungemein luftigen Schritt ausgewichen. Das Erklettern einer nachfolgenden Rinne (I) ist nur ein Vorspiel für die unmittelbar bevorstehende Schlüsselstelle.
Eine etwa 6 m hohe, glatte Verschneidung blockiert das weitere Vorankommen. Von unten sieht dieses senkrechte, fast haushohe Hindernis sehr respekteinflößend aus. Die ersten beiden Meter sind die entscheidenden! Hier erweist sich das Kristallin als besonders glatt - der Begeher muss nach geeigneten Griffen und Tritten förmlich suchen (II). Hat man diese 2 Meter überwunden, wird der Fels deutlich grifffreudiger. Ein erfolgreicher Durchstieg (II) sollte somit kein Problem mehr sein. Oberhalb im Gehgelände zum Gipfelfelsen vorrücken. Linkshaltend zur Installation eines Drahtseils. Diesem, dem Fels zunächst nach links ausweichend, hinauf hangeln. Wenig oberhalb erschließt das Kabel zur Rechten ein karges Band. Im Griff des Seils sowie in der Obhut des Bandes sehr luftig zur anderen Seite des Gipfelfelsens wechseln (B). Das Ende des Kabels öffnet nun den unschwierigen Zugang zum Gipfelkreuz. Im Gehgelände das schrofige Areal unterhalb des Kreuzes vertikal höher - in wenigen Schritten zum Gipfelkreuz des Rauhhorn (2.240 m) aufschließen. Der Aufstieg von der Vorderen Schafwanne über den Nordgrat zum Rauhhorn-Gipfel nimmt circa 1 Stunde in Anspruch.
Für die Überschreitung des Rauhhorn auf erkennbarer Spur in den Südgrat einfädeln. Die Fährte umgeht linksseitig erstes Felsbollwerk - um wenig dahinter direkt die Kante zu erklimmen. Für das folgende Bergab nutzt die Route geschickt die technisch günstigste Linie - mal links der Schneide, mal rechts davon oder mitten darauf (mehrere Stellen bis I+). Nicht selten erweist sich das Gepräge als ziemlich ausgesetzt - deutlich luftiger als beim Anstieg über den Nordgrat! Die Schlüsselstelle im Südgrat-Abstieg ist ein Akt auf einer glatten Platte. Auf deren rechter Seite befinden sich deutlich mehr Möglichkeiten die Fußsohlen stabil aufzusetzen. Doch wird diese Seite durch wahrnehmbar mehr Exposition begleitet. Mit zunehmendem Höhenverlust kommen schließlich immer längere Gehpassagen hinzu. Zuletzt läuft die Überschreitung in einer lieblichen Graswiese an der Hinteren Schafwanne (1.957 m) aus. Der Abstieg vom Rauhhorn-Gipfel über den Südgrat zur Hinteren Schafwanne bedarf etwa 1 Stunde.
Von der Hinteren Schafwanne über den Schrecksee zurück nach Hinterstein
T3 AFür die Rückkehr nach Hinterstein bieten sich zwei Varianten an. Auf der Ostseite des Rauhhorn kann selbiges über eine Teilpartie des Jubiläumswegs umgangen werden. Dies kann genutzt werden, um von der Hinteren Schafwanne (bequem obendrein unschwierig) retour zur Vorderen Schafwanne zu gehen. Somit wäre ab Vorderer Schafwanne eine Rückkehr via Aufstiegsweg realisierbar. Landschaftlich interessanter ist indes die Überschreitung des Rauhhorn als Rundtour auszugestalten. Möglich ist dies durch die nachfolgend beschrieben Variante über den Schrecksee.
Für den Abstieg via Schrecksee navigieren wir nach dem, an der Hinteren Schafwanne angeschlagenen, Richtungspfeil. Die auffällige Trasse quert die Westhänge von Kugelhorn und Knappenkopf. Dabei sind ein paar abschüssige Partien mittels Drahtseil nebst Tritthilfen entwaffnet worden (A). Auf der Achse zum Knappenkopf-Gipfel vereinigt sich unsere Spur an einem Wegkreuz mit diversen anderen Wanderpfaden. Den Schrecksee schon unmittelbar vor Augen, steigen wir bis zum Wasser ab (1.813 m).
Am Schrecksee den ausgewaschenen Steig in nördliche Richtung aufnehmen. Einen (privaten) Hüttenneubau rechter Hand überholen. Dahinter driftet die Bahn nach rechts ab. Ein mit groben Geröll geladener Abschnitt führt im Zick Zack mühsam eine steile Geländestufe hinab. Einige Kehren später wird der flache Boden der Taufersalpe (1.410 m) die Ehre gereicht. Das kahle Areal bis zu seinem anderen Ende durchschreiten.
Vorbei am Speichersee Auele (1.270 m) in bewaldetes Areal hinein. Das Bergab durch den Wald war bei meiner Begehung kein Vergnügen. Dieses erdige Intermezzo war stark verschlammt, obendrein durch eingelagertes Geröll eine hemmungslose Rutschpartie. Die Schlammtrasse findet in der Auele-Grasfläche ihr Ende. Folglich rechter Hand in die Teerbahn der (für den öffentlichen Verkehr gesperrten) Giebelstraße einbiegen. Der Verlauf der Bitumenführe lässt uns optional mit dem Ausschank des Konstanzer Jägerhauses (950 m) Kontakt aufnehmen.
Wer keine Erfrischung braucht läuft der Straße weiterhin nach.
Der Scheitelpunkt einer markanten Linkskurve gewährt geradeaus Einlass in einen breiten Split-Fußweg.
In diesen einfädeln (Beschilderung Parkplatz Hinterstein
).
Jenseits des Willersbachs ist unser Ausgangspunkt nicht mehr weit.
Eine finale Flaniermeile durch großzügig geschnittenes Weidegebiet endet am Wander-Parkplatz in Hinterstein.
Autor (Bilder und Texte): Andreas
Bewertung
Reviewer: Andreas