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Großer Widderstein
(2.533 m)

Umrundung und Besteigung des Großen Widderstein vom Kleinwalsertal

T4 I

Schwere Bergtour

 1.440 Hm   17,8 Km  ca. 9 Stunden
Inhaltsverzeichnis
Der Großen Widderstein mit dem Hochalpsee gesehen vom Hochalppass
Der Großen Widderstein mit dem Hochalpsee gesehen vom Hochalppass

Fährt man von Oberstdorf ins Kleinwalsertal, sieht man schon von weitem eine gewaltige Felsmauer, die das Tal nach Süden begrenzt. Dieses Bollwerk ist der absolute Herrscher der österreichischen Enklave, dominiert alle umgrenzenden Trabanten durch seine pure Masse. Neben seiner martialischen Erscheinung macht auch sein Name ordentlich was her: Großer Widderstein.

Üblicherweise wird der Gipfel aus dem Süden, vom Hochtannbergpass, angegangen. Kaum 900 Höhenmeter gilt es von dort zu überwinden - degradiert diese alpine Exkursion auf das Maß eines Vormittages. Ein Rahmen der diesem Berg, ferner der traumhaft schönen Landschaft, in keinster Weise gerecht wird. Viel schöner als der Fast-Food-Aufstieg aus dem Lechtal ist die (nachfolgend beschriebene) Umrundung und Besteigung aus dem Kleinwalsertal.

Mit nördlichem Ausgangspunkt erweisen wir unserem Ziel den nötigen Respekt, widmen ihm ein volles Tagesprogramm. Die horizontale Linie, die auf dem Rundkurs zurückgelegt wird, entspricht grob einem Halbmarathon. Als Dreingabe müssen wir uns zudem reichlich 1.400 Höhenmeter gegen die Schwerkraft in den Himmel arbeiten. Wobei auf den letzten 400 Höhenmetern vermehrt alle Viere zum Einsatz kommen.

Mit Aufstieg über das traumhaft schöne Gemsteltal, sowie Abstieg durch das ebenbürtige Bärgunttal wird die Umrundung geschlossen. Damit es nicht zu langweilig wird, wurde das Auf und Ab von den Wegebauern über abwechslungsreiche Geländeformen gelegt. Ist erst mal der Gemstelpass gewonnen, wissen wir angesichts der schier endlosen Aussicht sowieso nicht wo wir als erstes hinschauen sollen.

Kondition, technischer Anspruch, Landschaft, Aussicht - alle Punkte bewegen sich auf sehr hohem Niveau. Bei der alpinen Wanderung zum Großen Widderstein via Kleinwalsertal kann man von einer Tour der Superlative sprechen.

Die Bergtour auf den Großen Widderstein entspricht der Tourenkategorie Leichte Klettertouren.

 Bilder  Karte  GPS-Track
Nur ein Teil der schier endlosen Aussicht vom Gipfel des Großen Widderstein
Nur ein Teil der schier endlosen Aussicht vom Gipfel des Großen Widderstein

Anforderungen/Schwierigkeiten

Der Aufstieg aus dem Kleinwalsertal via Gemsteltal zur Widdersteinhütte entspricht einer durchschnittlichen Bergtour auf gut angelegten Steigen. Kurze Abschnitte verlangen nach den Händen - sind aber nicht schwer. Von der Widdersteinhütte über den Normalweg zum Gipfel im extremen Gehgelände nebst einfacher Kletterei im I. Grad. Die Steinschlaggefahr durch Voraussteigende sollte nicht unterschätzt werden (Helm tragen)! Die Felslinie ist passabel markiert, technische Aufstiegshilfen (Drahtseile, etc.) glänzen durch Abwesenheit - der Aufstieg ist KEIN Klettersteig! Die Umrundung durch Abstieg über das Bärgunttal ist eine einfache Berg-Wanderung. Insgesamt eine sehr lange Runde, die dem Berg-Wanderer einiges an Kondition nebst Durchhaltevermögen abverlangt. Für den Gipfelsturm sind Trittsicherheit, Schwindelfreiheit, sowie Freude an leichter Kletterei nötig.

Ausgangspunkt

AT-6993 Mittelberg
Wanderparkplatz an der Bödmerstraße
GPS-Koordinaten:
Breitengrad: 47.313330
Längengrad: 10.141023

Hütten/Einkehr

Gemstel-Schönesbodenalpe
Hintere Gemstelalpe
Obere Gemstelalpe
Widdersteinhütte
Bärgunthütte

Orientierung

Die Umrundung ist bestens markiert, ferner durch die gut angelegten Wege vorgegeben. Die Bergtour zum Gipfel wird passabel durch Farbe angezeigt. Zwischen der Kolorierung muss die leichteste Linie durch die Felswuchten aber selbst gefunden werden.

Ausrüstung

Bergausrüstung

Höhenprofil
P Bergtour Großer Widderstein Elevation profile for Bergtour Großer Widderstein 0 2 km 4 km 6 km 8 km 10 km 12 km 14 km 16 km 17,8 km 2.400 m 2.200 m 2.000 m 1.800 m 1.600 m 1.400 m 1.200 m Mittelberg 1.150 m Hintere Gemstelalpe 1.320 m Obere Gemstelalpe 1.692 m Widdersteinhütte 2.015 m Einstieg Normalweg 2.106 m Großer Widderstein 2.533 m Ausstieg Normalweg 2.106 m Hochalppass 1.940 m Bärgunthütte 1.408 m Mittelberg 1.150 m
Tourenbeschreibung: Aufstieg

Wanderung vom Kleinwalsertal über das Gemsteltal zur Widdersteinhütte

T3

Vom Wanderparkplatz an der Bödmerstraße (1.150 m) in Mittelberg (Kleinwalsertal) hinab zur Breitach. Linksseitig eindrehen und dem Wasser in Fließrichtung (gen Osten) nachlaufen. An der nachfolgenden Brücke auf die andere Seite des Stroms wechseln. Wenig später zwingt uns ein Zufluss zur Breitach scharf rechtsdrehend einen Kurswechsel auf. Der Schwenk in südliches Gefilde erweist sich als Einlass ins malerische Gemsteltal - unsere Aufstiegsroute zum Großen Widderstein. Nach ca. 100 Metern verastet sich unser Wirtschaftssträßchen. Dabei wechselt der linke Zweig auf die andere Seite des Gemstelbach. Es ist reine Geschmackssache ob man links oder rechts vom Wasser wandern möchte. Beide Wege führen entlang des Gewässer tiefer ins Gemstelttal hinein - vereinen sich später wieder zu einer gemeinsamen Führe.

Das gesicherte Band oberhalb der Klamm
Das gesicherte Band oberhalb der Klamm

Bei meiner Begehung habe ich mich für die linke Seite des Wassers entschieden. Die Schlenderei durch Nadelholz wird in folge von einer riesigen Wiesenfläche unterbrochen. Die Route entfernt sich etwas vom Wasser, überquert zweimal einen Zufluss zum Bach. Nachdem unsere Linie mit dem Nass wieder Kontakt aufgenommen hat, besteht die Möglichkeit, linksseitig zur Gemstel-Schönesbodenalpe aufzuschließen. Da unsere Runde noch sehr lang ist, wir überdies im Verhältnis zur Tourenlänge noch kaum was geleistet haben, würde ich allen Gipfelaspiranten von einer Einkehr abraten. Jenseits der ersten Verpflegungsstation wird der Gemstelbach überquert. An diesem Punkt mündet der Aufstieg links vom Wasser in die Route rechts vom Bach ein. Die Fortführung nutzt ab hier eine gemeinsame Spur.

Die nahe Hinteren Gemstelalpe ist bald eingenommen (1.320 m). Links um die Jausenstation herum, in einen unangenehm zu begehenden Schottersteig einfädeln. Mühsam empor arbeiten, folglich einen gewaltigen Geröllstrom, der sich vom Kleinen Widderstein hinab ins Tal ergiest, überqueren. Die Führe durch lichte Baumbestände nimmt mit einer kolossalen Geländestufe Kontakt auf. In Kehre wird diesem Hindernis Meter um Meter abgerungen. Eine Stelle ist dabei mit Seilen gesichert. Darüber hinaus wartet das Areal immer wieder mit schrofigen Stufen auf, die den Einsatz der Händen zur Unterstützung des Gleichgewichts verlangen. Richtig schwierig wird es in diesem Teilabschnitt aber nie. Selbst für weniger geübte Berg-Wanderer ist das Gepräge gut beherrschbar.

Die Widdersteinhütte vor dem Großen Widderstein
Die Widdersteinhütte vor dem Großen Widderstein

Die Piste über die Geländestufe gewinnt im Fortschritt dessen östliche Begrenzung. Via flacher Gerade mogeln wir uns an dem Hindernis endgültig vorbei. Diese Teilpartie ist wiederum mittels Seil, zusätzlich mit einem Gelände gesichert. Die Brüstung verhindert dabei den Absturz in die tief eingeschnittene Klamm, die sich links von uns durch das Geräusch tosenden Wassers bemerkbar macht. Der Klammweg wird von lichten Baumbeständen abgelöst. Dabei wird das Kabel der Materialseilbahn der Obere Gemstelalpe unterquert. Noch ein kurzer Anstieg und der Wanderer gibt der Versorgungstation die Ehre (1.692 m). Den Ausschank der Obere Gemstelalpe links liegen lassen, über lichte Almmatten hinauf zum Gemstelpass wandern (1.960 m). Hier öffnet sich erstmals das Panorama nach Süden. Vor uns breitet sich die imposante Felsbastion der Lechtaler Alpen aus. Im Kontrast dazu die hektische Reisetätigkeit des Hochtannbergpass - 300 Meter unter uns. Der Anschluss gen Westen navigiert in gemütlicher Schlenderei hinüber zur idyllisch gelegene Widdersteinhütte (2.015 m).

Aufstieg über den Normalweg zum Großen Widderstein

T4 I

Jenseits der Widdersteinhütte findet unsere Bergtour Anschluss in westliche Tendenz. 400 Meter hinter dem Schutzhaus entspringt rechter Hand der Normalweg zum Gipfel des Großen Widderstein - markiert von einem verblassten Wegweiser. Wer auf den Gipfelsturm verzichtet, nur den Berg umrunden möchte, wandert hier unschwierig gen Westen bis zum Hochalppass weiter. Bergsteiger, die der Linie zum höchsten Punkt nicht widerstehen können, steigen in 4 Phasen auf das Dach des Widderstein hinauf:

Schweres Alpin-Gelände auf den letzten 400 Höhenmetern
Schweres Alpin-Gelände auf den letzten 400 Höhenmetern

Phase 1: Extremes Gehgelände

Ein gerölliger Pfad zieht steil empor zum Beginn der Felsroute (2.100 m). Für einen Berg dieses Schwierigkeitsgrads ist der Großen Widderstein erstaunlich gut besucht. In der felsigen Gipfelflanke muss man jederzeit mit Beschuss durch Höhersteigende rechnen. Deshalb sollte ab diesem Punkt unbedingt ein Steinschlaghelm getragen werden. Wir gelangen zu einer großen Rinne, an deren linker Seite im extremen Gehgelände schnell an Höhe gewonnen wird. Weiß-blau-weiße Markierungen kennzeichnen die ideale Linie nach oben.

Der aussichtsreiche Gipfel des Großen Widderstein
Der aussichtsreiche Gipfel des Großen Widderstein

Phase 2: Klettern (I)

Der Normalweg wird so abschüssig, das die Hände aus den Hosentaschen müssen (I). Farbige Signale geben grob den Kurs vor. Die einfachste Linie zum nächsten Farbklecks muss hingegen selbst gefunden werden. Ein Weg ist nicht wirklich erkennbar, das Terrain bietet im Streben gen Himmel viele Variationsmöglichkeiten. Hier ist etwas Geländebeurteilung plus Nahorientierung gefragt.

Phase 3: Extremes Gehgelände

Die Rinne verbreitert sich, legt sich eine Idee zurück. Die Hände haben wieder Pause. Im gut gestuften, aber mit reichlich Schutt gewürzten Kristallin von Markierung zu Markierung steigen. Einer kurzen plattigen Passage folgend wird der Westgrat betreten - mit bestechender Fernsicht ins Kleinwalsertal.

Phase 4: Querung zum Gipfelkreuz

Auf der Südseite des Grats in ausgesetzter Position in Richtung Gipfelkreuz (I) queren. Im Anschluss einer kurzen Felspassage gelangen wir zum imposant-aussichtsreichen, höchsten Punkt unserer Bergtour auf den Großen Widderstein (2.533 m).

Tourenbeschreibung: Abstieg

Vom Gipfel des Großen Widderstein zum Hochalppass

T4 I

Wir kraxeln vom Gipfel mit Bedacht die Felsroute auf der selben Linie wieder abwärts. Die Markierungen sind für den Abstieg partiell ungünstig am Fels angebracht, demzufolge nicht immer leicht zu erkennen. Wenig unterhalb des Felseinstiegs entspringt rechtsseitig ein unbezeichneter, unmarkierter Geröllsteig. Dies ist eine Abkürzung mit Ziel Hochalppass, die ich bei meiner Begehung in Anspruch genommen habe. Um den Pfad als solchen erkennen zu können braucht es ein wachsames Auge. In Folge wird eine Wasserrunse gequert. Wenig später, auf Höhe eines Wegweisers, vereint sich unsere Abkürzung wieder mit dem Wanderweg, der von der Widdersteinhütte herüber zieht. Wir halten uns weiter in westlichen Verlauf, erklimmen den grasigen Buckel des Seekopf. Der unter uns liegende Hochalpsee bildet aus dieser Perspektive zusammen mit dem Großen Widderstein eine tolles Fotomotiv. Die Fortsetzung führt vorbei an einer ehemaligen Zollhütte hinab zum Hochalppass (1.940 m).

Umrundung Großer Widderstein durch Abstieg über das Bärgunttal

T2

Für die Umrundung des Großen Widderstein am Hochalppass rechter Hand eindrehen, dem Richtungspfeil Kleinwalsertal nachlaufen. Kurzzeitig in westliche, bald aber mit nördlicher Tendenz hinab ins idyllische Bärgunttal wandern. Der Abstieg passiert Latschenfelder, brache Fläche, lichten Bergwald - zieht sich etwas bis zur letzten Einkehrmöglichkeit. Die Bärgunthütte (1.408 m) repräsentiert die finale Option Kulinarik auf unserer Rund wahr zu nehmen. Den letzten Abschnitt hinab ins Kleinwalsertal erlaufen wir im Beisein des Bärguntbach. In Baad ist die Zivilisation wieder erreicht. In der Gemeinde erneut Kontakt mit der Breitach aufnehmen. Der Wanderweg neben dem Wasserlauf bringt uns in circa 30 Minuten zurück zum Parkplatz an der Bödmerstraße in Mittelberg.

Autor (Bilder und Texte): Andreas

Bewertung

Bergtour
Großer Widderstein
Umrundung und Besteigung des Großen Widderstein vom Kleinwalsertal
Der Großen Widderstein mit dem Hochalpsee gesehen vom Hochalppass
Natur:
Schauwerte:
Erlebnisfaktor:
Einsamkeit:
Gesamt:
4 / 5
Lange, sehr lange Bergtour mit nachwirkenden Landschaftsimpressionen. Abwechslungsreich in der Umrundung und anspruchsvoll im Gipfelsturm.
Info zum Bewertungsschema

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