Von Hinterbrand über das Carl-von-Stahl-Haus auf den Schneibstein
WT4Schwere Schneeschuhtour
Inhaltsverzeichnis
Eine Schneeschuhtour der Superlative führt uns auf den leichtesten 2000er der Berchtesgadener Alpen - den Schneibstein. Das Wort leicht hat jedoch nur im Sommer Gültigkeit. Im Winter ist dieser Berg (als Tagestour, ferner ohne Unterstützung der Jenner-Bahn) eine enorme sportliche Herausforderung.
Unter all den Skitourengehern ist man als Schneeschuhgeher am Schneibstein ein ziemlicher Exot. Üblicherweise muss man ab dem Torrener Joch (respektive ab dem Stahl-Haus) eine eigene Schneeschuhspur in die obersten Etage legen. Neben der beachtlichen Wegstrecke, die zurückgelegt, und den nicht minder großzügigen Höhenunterschied, der bewältigt werden will, ist vor allem diese zu leistende Spurarbeit der entscheidende Faktor für einen Gipfelerfolg. Wohl dem, der für diese Schwerstarbeit noch genügend Konditionsreserven in petto hat.
Das Spuren zeigt schnell Wirkung: Brennende Oberschenkel, sowie ein rasender Puls sind die Folge. Während dieser Quälerei wird das persönliche Durchhaltevermögen bis zum Äußersten ausgereizt. Es dauert nicht lange und der innere Schweinehund meldet sich mit der Frage, warum man sich das antut. Spätestens am Gipfel bekommt man die Antwort darauf: Das ausschweifende Panorama der winterlichen Berchtesgadener Alpen ist einfach ein Knaller. Der gegenüberliegende Watzmann mit seiner imposanten Ostwand, das Steinerne Meer plus das Hagengebirge in Weiß. Angesichts der überwältigenden Landschaftsbilder kann durchaus angzweifelt werden, ob wir uns noch in Deutschland - oder schon in der Arktis befinden.
Bilder Karte GPS-TrackAnforderungen/Schwierigkeiten
Der Auftakt von Hinterbrand zum Stahl-Haus (Torrener Joch) kann noch als einfach Schneeschuhwanderung bezeichnet werden. Allerdings hat dieser Abschnitt schon eine beachtliche Wegedistanz und die Querung unterhalb des Jenners ist nicht lawinensicher. Ab dem Stahlhaus, wenn die Kondition schon sichtlich etwas gelitten hat, wird es erst richtig sportlich. Der Gipfelaufstieg muss als Schneeschuhgeher oft selbst gespurt werden. Das Ganze in (phasenweise) enorm heftiger Geländeneigung - und der andauernden Bedrohung durch Schneebretter. Die Schneeschuhtour zum Schneibstein ist in allen Belangen sehr fordernd. Tadellose Kondition, enormes Durchhaltevermögen und viel Gespür für die leichteste Linie sind Grundvoraussetzung um den Gipfel erreichen zu können. Dazu sollte man das Gelände in Hinblick auf die Lawinensituation gut einschätzen können. In Summe eine Tour nur für erfahrene Bergsportler und Winterexperten.
Lawinengefahr
Bis zum Stahl-Haus am Torrener Joch ist nur die Querung unterhalb des Jenners gefährdet. Ab der Bergwirtschaft ist der Restweg zum Schneibstein-Gipfel durch permanente Lawinengefahr sehr riskant.
Ausgangspunkt
DE-83471 Schönau am Königssee
Scharitzkehlstraße 40
Parkplatz Hinterbrand
GPS-Koordinaten:
Breitengrad: 47.595316
Längengrad: 13.023067
Hütten/Einkehr
Carl-von-Stahl-Haus
Mitterkaseralm
Dr.-Hugo-Beck-Haus
Orientierung
Der Aufstieg von Hinterbrand zum Stahlhaus wird auch im Winter nicht selten begangen, ist oft festgetreten. Oberhalb des Berggasthauses findet sich üblichweise eine Skitourenspur an der man sich orientieren kann. Ohne sichtbare Spur (nach ergiebigen Neuschneefällen) braucht es aber etwas Gespür für die leiteste Linie.
Ausrüstung
Von Hinterbrand zum Carl-von-Stahl-Haus
WT2Vom Parkplatz Hinterbrand laufen wir über den beschilderten Wanderweg zur Mittelstation der Jenner-Bahn. An dieser vorbei und geradeaus weiter. Das nachfolgende Gelände der Wasserfallalm (unterhalb des Jenners) ist nicht lawinensicher, deshalb sollten wir diese Passage zügig hinter uns bringen.
Nach dem Verlust einiger Höhenmeter an einer folgenden Weggabelung links - steil aufwärts. Den Bogen einer Rechtskurve nachlaufen, dann abermals links in Richtung Stahlhaus abbiegen. Die Bärenwand wird mittels Schleife umgangen, dann zieht der Weg in einer Geraden mit gleichbleibender Steigung bis ins freie Gelände der Königsbergalm. Vorbei an einigen Almhütten bis hoch zum Schneibsteinhaus - und in einem letzten Aufschwung zum Carl-von-Stahl-Haus am Torrener Joch.
Bei meiner Begehung war der Aufstieg bis zu diesem Punkt so stark verdichtet, das ich die Schneeschuhe am Rücksack belassen konnte. Allerdings haben mir Grödel wertvolle Dienste geleistet. Ohne Zacken an den Fußsohlen war es deutlich mühevoller im komprimierten Weiß nach oben zu trampeln.
Vom Carl-von-Stahl-Haus auf den Schneibstein
WT4Vom Stahlhaus wandern wir in südliche Richtung - dem schon sichtbaren Gipfelhang des Schneibsteins entgegen. Bald versperrt uns ein extrem steiler Aufschwung den Weiterweg - die Schlüsselstelle der Tour.
Hier in zahlreichen kurzen Kehren mühevoll nach oben arbeiten. Das Gelände legt sich zurück und wir nutzen die technisch günstigste Linie um weiter in Richtung Gipfel zu stapfen. Eine weitere Steilstufe wird geschickt mittels Rechtsbogen umgangen. Das Finale über den Westrücken des Schneibsteins meistern wir über eine weit ausholende Linkskurve - und endet auf dem breiten Gipfelplateau mit den beiden Gipfelkreuzen.
Ein harter, extrem kraftraubender Anstieg liegt hinter uns. Erst mal Durchschnaufen und kurz innehalten. Jetzt folgt die Belohnung für die ganzen Mühen: Die Aussicht in das winterliche Hagengebirge, das Steinerne Meer und die weiße Watzmann-Ostwand - es ist atemberaubend schön. Und die ganze Tour ist ein Erlebnis an das wir noch in vielen Jahren denken werden.
Für die vielen Tourengeher ist der Schneibstein erst der Auftakt für die Kleine Reibn. Die Skifahrer brausen nach dem Gipfel üblicherweise den Südhang zu den Roßfeldern hinunter. Da wir als Schneeschuhgeher nicht in den Genuss einer kräfteschonenden, streckefressenden Gleitenergie kommen, ist das für uns weniger erstrebenswert. Wir drehen lieber um, steigen über unsere Aufstiegslinie zurück nach Hinterbrand - gönnen uns dazwischen noch eine Einkehr am Stahl-Haus.
Autor (Bilder und Texte): Andreas
Bewertung
Reviewer: Andreas