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Obere Wettersteinspitze
(2.298 m)

Von Mittenwald über den Gamsanger auf die Obere Wettersteinspitze

T4 I

Schwere Bergtour

 ca. 1.400 Hm   ca. 13,3 Km  ca. 8 Stunden
Inhaltsverzeichnis
Obere Wettersteinspitze - der Gipfel vor dem Karwendel
Obere Wettersteinspitze - der Gipfel vor dem Karwendel

An der Oberen Wettersteinspitze kann das Wettersteingebirge von seiner ruhigen Seite entdeckt werden. Spricht man vom Wettersteingebirge, setzen das Viele mit Zugspitze und Alpspitze gleich. Kein Wunder, haben doch beide Berge mittels Vermarktung eine derartig überwältigende Dominanz, das andere Gipfel in die Nebensächlichkeit verbannt wurden. Im Gespräch zum Thema Wetterstein winken Berg-Individualisten meist genervt ab. Die Größe der zahlungsbereiten Marketing-Zielgruppe ist augenscheinlich erdrückend. Bergliebhaber haben ihr schon lange das Territorium überlassen.

Die Wetterstein-Kuh wird indes nur nord- respektive westseitig gemolken. Außerhalb dieses Finanzzentrums ist das Gebirge - man möge es kaum glauben - ein Paradies für Bergsteiger alter Schule. Der Blick über den Zug-Alpspitz-Tellerrand, sowie eine gezielte Recherche bezüglich anderer Wettersteingipfel, fördert erstaunliche Fakten zu Tage. Der Süden ist nebst dem Osten fast gar nicht kultiviert. In beiden Expositionen findet sich jeweils nur eine einzige offizielle Gipfelroute. Eine zum Dach der Partenkirchner Dreitorspitze (Süden), die andere zum Thron der Oberen Wettersteinspitze (Osten).

Die Alpenvereinskarte weist zu Letzterer eine rote beziehungsweise gepunktete Linie aus. Ortsunkundige gehen dem Kartenstudium schlussfolgernd von einer kompletten Wegerschließung aus. Ich persönlich würde aber tatsächlich nicht von einem Weg sprechen wollen. Es ist nur mehr eine alpine Fährte die durch authentisches Bergland navigiert. Spätestens am Gamsanger (einem grünen Balkon 300 Meter unterhalb des Gipfel) endet die Wanderei. Dann heißt es kräftig zupacken - und zwar anhaltend bis am Kreuz ausgestiegen wird. Das überschreitet zweifellos das Niveau einer Wanderung, weshalb man sich von dem roten Strich in der Landkarte nicht täuschen lassen sollte.

Ein Vergleich dieser Bergtour mit Aktivitäten an der Wettersteinprominenz bezeugt maximalen Kontrast. Alles was an Alp- und Zugspitze im Überfluss zu finden ist (Urbanisierung, Technik, Menschen, Geschäftemacherei, etc.) ist an der Oberen Wettersteinspitze gar nicht oder nur minimal vorhanden. Demgegenüber punktet die Wettersteinspitz-Exkursion Dank erholsamer Ruhe, einer schon beängstigenden Einsamkeit sowie einer naturbelassenen Gipfelführe. Klassische Bergsteiger werden auf diesem Abenteuer in hellauf begeisterte Jubelstürme ausbrechen.

Die Bergtour auf die Obere Wettersteinspitze entspricht der Tourenkategorie Leichte Klettertouren.

 Bilder  Karte  GPS-Track
Panorama vom Gipfel der Oberen Wettersteinspitze
Panorama vom Gipfel der Oberen Wettersteinspitze

Anforderungen/Schwierigkeiten

Die Besteigung der Oberen Wettersteinspitze beginnt mit einer Wanderung über sanfte Flurlandschaft. Nach Abdrehen in Richtung unseres Ziels bald steiles Areal sowie vereinzelt Drahtseilsicherungen. Der abschüssige Aufstieg zum Gamsanger ist beengt und ausgesetzt, weist aber einen passablen Pfad auf. Oberhalb dessen, im Pensum von fast 300 Höhenmeter, durchgehende Kletterei des I. Grades - kein Wandergelände mehr! Bis zum aussichtsreichen Gamsanger ist der Ausflug auch für reine Bergwanderer machbar. Die üblichen Tugenden (Trittsicherheit, Schwindelfreiheit, ausreichende Kondition) eines geübten Berggehers sind jedoch auch hier gefordert. Für den Gipfelsturm braucht es zusätzlich grundlegende Kletterkenntnisse. Obendrein sollte das persönliche Nervenkostüm mit der mentalen Belastung umgehen können.

Ausgangspunkt

DE-82481 Mittenwald
Leutascher Straße
Parkplatz an der ersten Straßenkehre
GPS-Koordinaten:
Breitengrad: 47.435276
Längengrad: 11.256109

Hütten/Einkehr

Diverse Einkehrmöglichkeiten am Lautersee und am Ferchensee

Orientierung

Die Tour ist auf den Wanderwegen brauchbar ausgeschildert. Obendrein ist die lange Felspassage oberhalb des Gamsanger im Gepräge üppig koloriert. Aufmerksame Pfadfinder sollten zu keiner Zeit Probleme in der Orientierung haben.

Ausrüstung

Bergausrüstung

Wissenswertes

Nimmersatten beziehungsweise Konditionsbolzen können vom Gipfel der Oberen Wettersteinspitze noch die Rotplattenspitze dranhängen. Dafür folgt man vom Gipfel dem Wettersteingrat in westliche Richtung. Allerdings fordert das unmarkierte Felsgelände den Bergsteiger in allen Belangen. Die Kletterei bewegt sich um den II. Grad. Für den Hin- plus Rückweg sind zusätzlich ca. 4 Stunden zu veranschlagen. Nur selten wird diese Verlängerung angegangen, dazu ist das Ganze wahrlich nur für erfahrene Cracks geeignet.

Höhenprofil
P Bergtour Obere Wettersteinspitze Elevation profile for Bergtour Obere Wettersteinspitze 0 2 km 4 km 6 km 8 km 10 km 12 km 13,3 km 2.000 m 1.800 m 1.600 m 1.400 m 1.200 m 1.000 m Mittenwald 950 m Lautersee Abzweigung Wettersteinspitze 1.290 m Gamsanger Einstieg Fels 1.974 m Obere Wettersteinspitze 2.298 m Gamsanger Ausstieg Fels 1.974 m Abzweigung Mittenwald 1.290 m Lautersee Mittenwald 950 m
Tourenbeschreibung: Aufstieg

Wanderung von Mittenwald auf den Gamsanger

T3

Ausgangspunkt für unsere Exkursion auf die Obere Wettersteinspitze ist die Leutascher Straße in Mittenwald. Kurz nach dem Ortsende von Mittenwald vollzieht die Fahrbahn eine scharfe Kehre. Flüchtig zu der Kurve findet sich die erste Parkmöglichkeit. Leider ist der Platz sehr begrenzt, kann nur wenige Fahrzeuge aufnehmen. Verfolgt man die Leutascher Straße weiter, öffnet sich rechts der Bitumenstrecke weiterer Parkraum. In Summe sind aber die Möglichkeiten, sein Fahrzeug im Bereich des Startpunkt zu deponieren, sehr begrenzt.

Am Gamsanger... Fantastischer Blick auf das Wettersteingebirge
Am Gamsanger... Fantastischer Blick auf das Wettersteingebirge

Die enge Schleife an der Leutascher Straße hält an ihrem Scheitelpunkt den Einlass zu unserer Bergtour bereit (ca. 950 m). Oberhalb Von Mittenwalds Kurpark laufen wir uns auf der breiten Trasse allmählich warm. Zwischen Burgberg und Mittereck vor zum Lautersee mogeln. Auf Höhe des Stillgewässer nicht hinab zum Ufer, sondern unsere bisherige Schiene (im Abstand zum Wasser) weiter geradeaus nachlaufen. Jenseits erfordert auf der Ferchenseehöhe ein anschlussreicher Wegknoten eine Kurskorrektur. An diesem Punkt links halten, folglich zu den Ferchenseewänden aufschließen (Weg 871). Unterhalb der Ferchenseewände das bewaldete Areal gen Westen durchschreiten. Bald zieht von links der Zugang vom Franzosensteig in unsere Linie ein. In Kürze kommt auch ein Wanderfenster vom Ferchensee dazu. Die Fortsetzung geradeaus verlängert sich zum Schützensteig - welcher ganz am Ende den Schachen zum Ziel hätte. Für die Obere Wettersteinspitze wird indes bei nächster Gelegenheit links abgedreht. Die Abzweigung ist gut ausgeschildert, sowie mit der Wegnummer 875 angezählt. Der enge Fortgang erweist sich als kapitaler Bergpfad, zieht im kurztaktiken Slalom das aufbäumende Areal empor.

Schweres alpines Gelände oberhalb des Gamsanger
Schweres alpines Gelände oberhalb des Gamsanger

Das weitere Vorankommen wird erstmalig von einem Schrofenhindernis ausgebremst. Ein installiertes Drahtseil bietet für das Überwinden der Stufe entsprechende Haltemöglichkeit an. Obligatorisches Latschendickicht bestimmt die folgende Teilpartie. Dieses gewährt schließlich Zugang zum geröllgefluteten Kessel zwischen Untere und Obere Wettersteinspitze sowie dem Gamsanger. Die gewaltige, respekteinflößende Arena lässt auf den ersten Blick kaum vermuten, das es einen begehbaren Weg hinauf auf die Kante des Felstrichters gibt. Um diese Treppe unter die Füße zu bekommen, wird der Schuttstrom an seiner rechten Begrenzung aufgestiegen. Augenscheinliche Steigspuren geben die Direktion vor. Ein Ausscheren nach rechts nimmt schließlich die Stufen hoch zum Gamsanger aufs Korn (ca. 1.700 m). Wider Erwarten ist das Gefilde gut begehbar - wenn auch teilweise eine Idee luftig. Dauerndes Zick Zack bringt uns schnell höher. Die Hände sind (wenn überhaupt) nur an kurzen Stellen vonnöten. Mit jeder zusätzlich gewonnenen Etage versprühen die Schauwerte am Horizont mehr Charisma.

Einem längeren Quergang folgen die letzten Serpentinen. Der Ausstieg tritt direkt mit der begrünten Terrasse des Gamsanger (1.974 m) in Kontakt. Bis hierhin ist die Tour auch für Bergwanderer ohne Kletterambitionen machbar. Für sich alleine gesehen ist der Gamsanger bereits ein sehr lohnendes Ziel. Der Westen imponiert mittels ungewöhnlichem Blickwinkel auf die Pyramide der Alpspitze nebst dem Hochwanner-Felsbogen. Das Estergebirge setzt sich im Süden gekonnt in Szene. Im Osten hat die Karwendel-Skyline beachtliche Dimensionen angenommen. Ferchen- und Lautersee schimmern inzwischen weit unter uns. Dazu ist Mittenwald zu einer winzigen Miniaturwelt geschrumpft. Bei einer zünftigen Brotzeit lässt es sich an diesem Ort wahrlich länger aushalten.

Vom Gamsanger auf die Obere Wettersteinspitze

T4 I

Gipfelanwärter drehen in die immens geneigte Nordflanke der Oberen Wettersteinspitze ein. Noch gut 300 Höhenmeter fehlen zum höchsten Punkt. Ein großer roter Pfeil zeigt den Einstieg in die Felsroute an. Dieser entpuppt sich als grifffreudige Rinne, die direkt erklettert wird (I). Die Fortsetzung dreht linkerseits zu einem Geröllfeld. Mühsam durch den Kies wieder zum felsigen Terrain vorstoßen.

Ausblick vom Gipfel zur Wettersteinwand
Ausblick vom Gipfel zur Wettersteinwand

Nun unter anhaltendem Einsatz der Hände in einer fast geraden Linie das Gestein aufwärts. Das Gefilde weist durchgehend üppige Halte- und Trittmöglichkeiten auf - ist nirgends schwieriger als I. Zudem ist die Linie durch den Fels inflationär mit farbigen Punkten eingepinselt. Das Vorrücken von Markierung zu Markierung ist für Bergsteiger alter Schule der reinste Genuss, lässt die Zeit wie im Flug vergehen. Der Kraxlspass endet mit dem Ausstieg am Ostgrat. Rechtsdrehend über eine luftige Engstelle hinweg (Drahtseilsicherung) und in wenigen Schritten zum Gipfelkreuz der Oberen Wettersteinspitze (2.298 m).

Hier öffnet sich nun auch die Sicht gen Süden - inklusive dem Blick zur schier endlosen Zackenkrone des Karwendel. Für mich hingegen war die außergewöhnliche Perspektive über die fulminante Kante der Wettersteinwand der wahre Eyecatcher. Der Grat versprüht eine immense Anziehungskraft - verleitet einem regelrecht, die Tour in diese Richtung fortzusetzen. Und tatsächlich bietet sich eine Option an: Wer noch ausreichend Reserven zur Verfügung hat, kann in Direktion der Schneide die Rotplattenspitze ins Visier nehmen (Näheres unter Wissenswertes).

Tourenbeschreibung: Abstieg

Vom Gipfel kraxeln wir die Nordflanke zurück zum Gamsanger, steigen die Schrofenflanke abwärts und wandern zurück nach Mittenwald. Auf dem Rückweg lässt sich eine Abkühlung an einem der beiden Seen mit einbauen. Neben einer Regulierung der Körpertemperatur wartet dort an eine der Gaststätten auch die kulinarische Regeneration.

Autor (Bilder und Texte): Andreas

Bewertung

Bergtour
Obere Wettersteinspitze
Von Mittenwald über den Gamsanger auf die Obere Wettersteinspitze
Gipfel der Oberen Wettersteinspitze
Natur:
Schauwerte:
Erlebnisfaktor:
Einsamkeit:
Gesamt:
4.5 / 5
Erlebnisreiches Bergabenteur in anspruchsvollem Gelände. Naturbelassene Route und wenig Andrang garantieren eine lange nachwirkende Tour.
Info zum Bewertungsschema

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