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Hochkranz
(1.953 m)

Von der Kallbrunnalm über den luftigen Ostgrat auf den Hochkranz

T5 II

Sehr schwere Bergtour

 1.000 Hm   12,4 Km  ca. 5 Stunden
Inhaltsverzeichnis
Der Hochkranz gesehen vom Kühkranz
Der Hochkranz gesehen vom Kühkranz

Ganz im Süden der Berchtesgadener Alpen, zentral gelegen zwischen Loferer und Leoganger Steinberge, den westlichen Ausläufern des Steinernen Meeres und der Hocheisgruppe, findet sich eine alpine Bergtour, die jeder felserprobte Bergsteiger einmal gemacht haben muss: Der Aufstieg zum Hochkranz über seinen scharf geschnittenen Ostgrat.

In der Vertikalen verfehlt der Hochkranz nur knapp die magische 2.000er-Marke. Seine Dominanz geht angesichts der übergroßen Nachbarschaft trotzdem unter wie die Titanic nach der Eisbergkollision. In Sachen Wildheit spielt er aber ganz vorne mit. Ungezähmt und äußerst bockig stellt er sich einer Besteigung entgegen. Ein Vergleich mit einem testosterontrunkenen Bulle, der seinem Reiter einen unvergesslichen Rodeoritt beschert, ist nicht abwegig. Dieser kleine, giftige Felskeil ist eine harte Nuss die nicht leicht zu knacken ist. Bereits der Normalweg ist alles andere als eine Wanderung - verlangt einiges an Erfahrung im Umgang mit extremen Steilheiten und leichtem Fels.

Noch schwieriger gestaltet sich der Anstieg über die Kante seines Ostgrates. Die Beherrschung des II. Klettergrades ist Grundvoraussetzung um den Tanz auf dieser luftigen Felsschneide wagen zu können. Zusammen mit dem Abstieg über den ungestümen Normalweg ergibt sich so ein Rundkurs, der jeden felsvernarrten Bergsteiger tiefe Zufriedenheit spendieren wird.

Reine Bergwanderer werden sich wohl angesichts der deutlichen Worte von dieser Tour wenig angezogen fühlen. Doch halt! Auch für den Normalverbraucher gibt es um den Hochkranz lohnende Exkursionen. Zwar bleibt dem Fußgänger der Gipfel verwehrt, doch Alternativziele erweisen sich vielmals als (fast) gleichwertige Aussichtskanzeln. Eines davon ist der vorgelagerte Grasbuckel des Kühkranz - ein leicht zu erreichender Balkon mit bestem Blick auf die landschaftlichen Eyecatcher.

Wem das noch nicht reicht, der findet an der Kallbrunnalm zusätzlichen Anreiz. Mit 2,5 km2 Fläche ist sie die größte Alm der Berchtesgadener Alpen - und alle, egal ob Gipfelaspiranten oder Alternativ-Aktivisten, müssen an ihr vorbei. Nach getaner Arbeit kann man hier seine erschöpften Reserven mit flüssiger und fester Energie wieder auftanken - im Zentrum der Siedlung, an der gleichnamigen Jausenstation.

Die Bergtour über den Ostgrat auf den Hochkranz entspricht der Tourenkategorie Leichte Klettertouren und Wilde Wege.

 Bilder  Karte  GPS-Track
360-Grad-Panorama vom Gipfel des Hochkranz
360-Grad-Panorama vom Gipfel des Hochkranz

Anforderungen/Schwierigkeiten

Die Wanderung von Pürzlbach zur Kallbrunnalm erfolgt auf einfachen, planierten Wirtschaftswegen - turnschuh- und (fast) kinderwagentauglich. Die Fortsetzung zum Kühkranz nutzt die ausgewaschene Linie eines typischen Bergpfades. Dabei fällt eine kurze Etappe etwas steiler aus - bleibt indes immer im Rahmen einer Berg-Wanderung. Die Linie vom Kühkranz über den Ostgrat zum Hochkranz ist unmarkiert und verlangt im Fels die Beherrschung des II. Klettergrades. Ein geübter Blick für die leichteste Linie ist angesichts der fehlenden Markierungen obligatorisch. Dazu braucht es für einige luftige Abschnitte ein belastbares Nervenkostüm. Der Abstieg via Normalweg fällt etwas leichter aus, ist aber immer noch sehr anspruchsvoll. An kurzen Stellen kommen die Hände zum Einsatz (I), an ganz prekären Abschnitten helfen einige Drahtseile. Der Gipfel des Hochkranz ist nur für erfahrene, mental belastbare Bergsteiger erreichbar. Für reine Bergwanderer ist spätestens am Kühkranz Schluss.

Ausgangspunkt

AT-5093 Weißbach bei Lofer
Ortsteil Pürzlbach
Wanderparkplatz am oberen Ende der Siedlung
GPS-Koordinaten:
Breitengrad: 47.518135
Längengrad: 12.773016

Hütten/Einkehr

Jausenstation Kallbrunnalm

Orientierung

Der Weg von Pürzlbach zur Kallbrunnalm kann Dank des ausladenden Wegebau nicht verfehlt werden. Bis zum Kühkranz leitet ein ordentliches Markierungssystem. Die Linie über den Ostgrat zum Hochkranz ist naturbelassen respektive ohne künstliche Orientierungspunkt. Als Aspirant sollte man einen ausgeprägten Riecher für die leichteste Linie mitbringen. Der Abstieg ist im Rahmen eines Normalweges wieder passabel eingefärbt.

Ausrüstung

Bergausrüstung

Wissenswertes

Naturfreunde, die Interesse an einer seltenen Fauna haben, finden an der Kallbrunnalm einen besonderen Ort. Bei meiner Recherche zu dieser Tour bin ich auf einen Hinweis gestoßen, das es in den Hochkranz-Südhängen viele Kreuzottern (Vipera berus) geben soll. Und in der Tat bin ich bei meiner Begehung drei mal mit den scheuen Tieren zusammengestoßen - auf dem Abschnitt zwischen Kallbrunnalm und Kühkranz. Ein Exemplar ist mit dabei direkt vor die Füße gefallen. Die Schlangen sind zwar giftig, beißen aber üblicherweise nur zu, wenn sie sich massiv bedroht fühlen - oder man auf sie tritt. Kreuzottern gelten in Deutschland, Österreich und der Schweiz als gefährdet, stehen in allen drei Ländern auf der Roten Liste und genießen strengen Schutz. Als Tourenaspirant sollte man am Hochkranz also ein besonderes Auge darauf haben, was so alles auf und neben dem Weg liegt.

Höhenprofil
P Bergtour Hochkranz über Ostgrat Elevation profile for Bergtour Hochkranz über Ostgrat 0 2 km 4 km 6 km 8 km 10 km 12,4 km 1.800 m 1.600 m 1.400 m 1.200 m Pürzlbach 1.080 m Kallbrunnalm 1.450 m Einstieg Ostgrat 1.840 m Hochkranz 1.953 m Normalweg Kallbrunnalm 1.450 m Pürzlbach 1.080 m
Tourenbeschreibung: Aufstieg

Von Pürzlbach zur Kallbrunnalm

T1

Am oberen Ende des Weiler Pürzlbach (Gemeinde Weißbach bei Lofer) findet sich ein stattlicher Wanderparkplatz (1.080 m). Dies ist unser Ausgangspunkt für die Bergtour auf den Hochkranz. Ein begrenzender Schlagbaum markiert den Anfang der Route.

Die Jausenstation an der Kallbrunnalm mit dem Seehorn im Hintergrund
Die Jausenstation an der Kallbrunnalm mit dem Seehorn im Hintergrund

Komfortabel navigiert uns eine breit angelegte Trasse seicht bergan gen Südosten. Das kahle Terrain, Pürzlbacher Frei genannt, gewährt bereits tollen Einblick in die gegenüber erwachsenden Leoganger Steinberge. Kaum 150 m nach Start besteht die Möglichkeit, die Luxuspromenade linker Hand in Direktion eines schmalen Steigleins abzukürzen. Während sich der Pfad in einer direkten Linie bergwärts mogelt, schlängelt sich der planierte Wirtschaftsweg über zwei Schleifen gemächlich empor. An der zweiten Kurve verbinden sich beide wieder zu einer gemeinsamen Führe.

Auf Höhe der Mahderwand wird kurzzeitig bewaldetes Areal betreten. Nach Passieren des Wolkenbruchgraben öffnet sich bereits der weitläufige Südhang des Hochkranz. Fast eben ein gutes Stück weiter südostwärts wandern. Dem Wasserlauf des Brechlbach folgend, geht die Route bald mit den ersten Gebäuden der Kallbrunnalm auf Tuchfühlung. Bleiben wir der breiten Bahn unterhalb der Hütten treu, steht der Kontaktaufnahme mit der Jausenstation (1.450 m) nichts mehr im Wege.

Von der Kallbrunnalm zum Kühkranz

T2

Für eine Einkehr ist es noch zu früh. Wir haben bis zu diesem Punkt auch noch kaum etwas geleistet. Für den Kühkranz, respektive Hochkranz, lassen wir den Gastronomiebetrieb unbeachtet hinter uns. Circa 100 m dahinter scharf links in den Anschlussweg zu den oberhalb liegenden Almhütten einfädeln.

Steiler Anstieg über freies Gelände zum Kühkranz
Steiler Anstieg über freies Gelände zum Kühkranz

An den ersten Anwesen vorbei, bis sich der Verbindungsweg verzweigt. Hier rechter Hand weiter bergan halten und zum obersten Hof aufsteigen. Neben dem letzten Bauwerk (1.540 m) entspringt der Zustieg zum Kühkranz. Dafür wird zunächst das freie Areal in nordwestliche Tendenz bis zur Ebene Hochfeld (1.620 m) erwandert. Jenseits eines Weidegatters mit deutlich zunehmender Neigung weiter. Im Zick Zack schweißtreibend einen Steilhang frontal einnehmen.

Dieser entlässt uns schließlich ins Dickicht von Strauchwerk und Legföhren. Mit nur noch wenig Höhengewinn der deutlich sichtbaren Linie durchs Krummholz nachlaufen. Wenig später zeigt sich der felsige Gipfelaufbau des Hochkranz - und mit Annäherung an diesen wird (fast unbemerkt) die kreuzlose Graskuppe des Kühkranz (1.811 m) eingenommen. In dem welligen Gelände ist gar nicht so leicht auszumachen, welche der Erhebungen den Gipfel des Kühkranz repräsentiert. Für Bergwanderer, die auf ausgebaute Wege angewiesen sind, ist an dieser Erhebung die Tour zu Ende. Doch auch der Anstieg nur bis zu diesem Punkt ist schon sehr lohnend.

Vom Kühkranz über den Ostgrat zum Hochkranz

T5 II

Für den Gipfel folgen wir weiter den Trittspuren in Richtung Felsaufbau. Die Verzweigung der Spuren fordert nun die Entscheidung: Hochkranz über Normalweg (nach links unten) oder (rechtsseitig) über den Ostgrat. Für den Ostgrat der augenscheinlichen Fährte nachlaufen und über eine steile Grasgasse bis zum Beginn der Felsen bergwärts (ca. 1.840 m). Links durch Latschen zur ersten Steilstufe und weiter zum Grat hochklettern.

Unterwegs am luftige Ostgrat des Hochkranz
Unterwegs am luftige Ostgrat des Hochkranz

Ab hier suchen wir uns selbständig die einfachste Linie über die Schneide. Der Fels ist in der Regel fest, gut griffig - und ausgesetzt! Wir kommen bald zu einem glatten Felsblock. Auf dessen rechten Seite können wir ihn über ein schmales Band umgehen. Jenseits dieses Hindernisses klettern wir wieder hinauf auf den Grat. Im weiteren Verlauf wird eine glatte Platte mittels installiertem Drahtseil sicher überwunden. Eine Gehpassage durch Krummholz sorgt für eine kurze Verschnaufpause.

Abermals versperrt uns ein riesiger Block das Vorankommen. Hier lassen wir ein schmales Band nach links unbeachtet (Sackgasse!), umklettern stattdessen das Hindernis auf der rechten Seite im griffigen Fels. Das Schlimmste haben wir nun geschafft. Bald mündet linkerseits der Normalweg ein. Für den Besuch des Gipfel geradeaus weiter. Eine letzte ausgesetzte Stelle versperrt den Zugang. Dank zweier künstlicher Griffe ist aber auch diese Hürde gut zu meistern. Nun steht dem Gipfelglück nichts mehr im Wege. Im Gehgelände in wenigen Schritten zum höchsten Punkt des Hochkranz (1.953 m).

Tourenbeschreibung: Abstieg

Vom Hochkranz über den Normalweg zurück zur Kallbrunnalm

T4 I

Für den Abstieg laufen wir zu der Stelle zurück, wo sich der Gratweg und der Normalweg vereinen. Hier rechter Hand in den Hochkranz-Normalweg einfädeln (Markierung durch einen roten Pfeil). Kurz hintereinander müssen zwei Stellen abgeklettert werden (I). Zunächst im Gehgelände weiter abwärts bis ein Steilabbruch das Talstreben erschwert (ca. 1.800 m). Die folgende, sehr ruppige Passage wurde mit einigen Drahtseilen entschärft, verlangt aber trotzdem noch umsichtiges Steigen und ein genaues Platzieren der Füße. Die Seilsicherungen entlassen uns schließlich am Boden (ca. 1.760 m). Begehungsspuren lotsen in einer Traverse entlang des Felsansatzes durch ein Geröllfeld. Ein kleiner Gegenanstieg nivelliert zurück zur Anhöhe des Kühkranz. Von hier auf bekanntem Weg zurück zur Kallbrunnalm.

Von der Kallbrunnalm zurück nach Pürzlbach

T1

Wer keinen Drang verspürt die Tour an der Jausenstation ausklingen zu lassen, der kann den Rückweg nach Pürzlbach ein wenig abkürzen. Nach Erreichen der obersten Kallbrunn-Hütte führt eine Schleife hinab zu den nächsten Anwesen - und einer Weggabelung. Links geht es wieder hinab zum Gastro-Betrieb (unser Aufstiegsweg). Hält man sich rechts, führen einige Kurven hinab zum unteren Ende des Almgeländes. Diese Linie mündet schlussendlich wieder in unseren Aufstiegsweg ein. Die bekannte Route leitet wieder via Wolkenbruchgraben und Pürzlbacher Frei zurück zum Ausgangspunkt.

Autor (Bilder und Texte): Andreas

Bewertung

Bergtour
Hochkranz
Von der Kallbrunnalm über den luftigen Ostgrat auf den Hochkranz
Der Hochkranz gesehen vom Kühkranz
Natur:
Schauwerte:
Erlebnisfaktor:
Einsamkeit:
Gesamt:
4.3 / 5
Luftiger Gratanstieg auf einen zentral gelegenen Punkt in einer grandiosen Hochgebirgslandschaft. Auf Grund der technischen Schwierigkeiten hält sich der Andrang in Grenzen.
Info zum Bewertungsschema

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